Alina Kirschniok

 

Circle of Support   (COS)

 

Zum Begriff

Circle of Support (engl.): Kreis der Unterstützung (dt.)

Im Althochdeutschen des 12. Jahrhunderts wurde das Wort „Kreis“ mit Ring, als runde geschlossene Kurve und insbesondere als gleichmäßig geschlossene Kurve assoziiert. So entstanden daraus im Mittelhochdeutschen Wortneuschöpfungen wie Umkreis, Kampf‑, Gerichtsplatz, Zauber- und Landeskreis. Der Begriff „Kreis“ impliziert im 17. Jahrhundert die nähere und fernere Umgebung eines Punktes, so dass sowohl vom Gesichtskreis als auch vom Wendekreis der Sonne gesprochen wurde. Das Verb „einkreisen“ kommt dem Wort „einschließen“ sehr nahe, wohingegen „umkreisen“ eher auf das kreisförmige Bewegen um etwas herum verweist. Zu Anfang des 18. Jahrhunderts bildete sich der Terminus „Kreislauf“, ein Begriff aus der Chemie und Medizin, der das Phänomen der Zirkulation beschreibt (vgl. Pfeifer 2005: 730).

 

Das Wort „Unterstützung“ taucht im Etymologischen Wörterbuch des Deutschen von Pfeifer (2005) nicht auf. Der Wortteil „unter“ kennzeichnet eine räumlich und vertikal tiefere Lage als die eines Bezugspunktes. Der Bedeutungszusammenhang erschließt sich insbesondere durch die Wortkombination, wie beispielsweise „unter uns“, „unterbinden“, „unterbrechen“. Das Wort „Stütze“ weist nach Pfeifer (2005: 1390) auf einen „Halt und Hilfe bietenden Menschen“ hin. Das Verb „stützen“ wird mit „Halt geben, am Fallen bzw. Zusammenbrechen hindern“ und mit „einer Stütze halten, dagegenhalten“ gleichgesetzt.

 

Die vorangegangene Begriffsgeschichte zeigt, dass der Kreis zwei Ebenen umfasst: Er impliziert Ein- und Ausschluss zugleich. Die Kreislinie kennzeichnet in einer Markierung, was sich „drinnen“ und „draußen“ befindet. Eine Hilfe/Unterstützung ist stets auf Inhalt und Funktion zu untersuchen, so dass über die genauere Betrachtung eines Kreises aufgedeckt werden kann, inwiefern die Hilfe außerhalb und innerhalb des Kreises wirkt. Auch ist zu eruieren, wem oder was Unterstützung zuteil wird. Im Sinne des Kreislaufs und der Bewegung ist ebenso die Stagnation und Zirkulation des Kreises zu analysieren.

 

 

 

 

 

Zur Verwendung des Begriffs

 

Die englische Bezeichnung „Circle of Support“ korrespondiert im angelsächsischen Raum oftmals mit der Bezeichnung „Circle of Friends“. Der englische Sozialwissenschaftler Navin Kikabhai und sein Kollege Joe Whittaker, ein Hochschuldozent am Institute for Inclusion in Bolton, konstatieren: „Examples of ‚circles of support/friends within the literature from an UK context is scare and what does exist, in part, appears confusing and contradictory“ (Kikabhai/Whittaker 2005: 6).

 

Hierzulande verwenden beispielsweise Lindmeier (2002) und Boban (2007) den Begriff „Unterstützerkreis“. In der Rezeption von Doose (2000) steht die Installation von Unterstützerkreisen im Rahmen der persönlichen Zukunftsplanung. Im Dortmunder Raum hat sich die englische Bezeichnung etabliert. Knust-Potter implementierte erstmals 1998 an der Fachhochschule Dortmund den COS-Ansatz als Theorie-Praxis-Projekt. Allen Rezeptionen ist die Schaffung von Beziehungskapital gemein.

 

 

 

Zur Struktur und Funktion des Circle of Support

 

Auch wenn nach Knust-Potter (1998) und Kikabhai/Whittaker (2005) differente Arbeits- und Organisationsformen der Circles of Support vorzufinden sind, lassen sich konstitutive Merkmale einer COS-Struktur herausstellen. Die erste Definition von COS geht nach Mount et al. (1988) auf Judith Snow und Marsha Forest zurück. Danach trifft sich eine Gruppe von Akteuren in regelmäßigen Zeitabständen, um einen Akteur mit Behinderung bei der Erreichung selbst gesetzter Ziel zu unterstützen (vgl. Mount et al. 1988, Perske 1989, Knust-Potter 1998). Der Akteur mit Behinderung wird oftmals als „Fokusperson“ bezeichnet, da seine Ziele im Fokus der gemeinsamen Aktivitäten stehen. Der Circle wird auf Wunsch der Fokusperson gebildet. Ausgangspunkt ist dabei ein Krisenzustand des Akteurs mit Behinderung. Die Krise erhält einen Wendepunkt durch die Einbeziehung von Akteuren aus dem sozialen Umfeld. Es handelt sich hierbei regulär um Freunde, Familienmitglieder, Nachbarn und Bekannte der Fokusperson. Je nach Zieldefinition agiert der COS in unterschiedlichen sozialen Zusammenhängen und unterstützt die Fokusperson im schulischen Kontext, im Alltag und während der Ausbildung.

 

 

 

COS in gesellschaftlichen Strukturen

 

Obwohl sich der COS-Ansatz Ende der 1980er Jahre rasch in Kanada und Großbritannien ausbreitete, sind die unterschiedlichen Organisationsformen der COS und ihre gesellschaftlichen Wandlungsimpulse bislang nur unzureichend erforscht.

 

Folgende Übersicht gibt eine Orientierung zu den praktizierten COS-Modellen im internationalen Vergleich:

 

 

Das COS-Modell ist insbesondere in Großbritannien weit verbreitet. Akteure mit Behinderung oder ihre Familien wenden sich an die Circles-Network-Organisation und bitten einen Facilitator mit pädagogischer Ausbildung um Unterstützung bei der Konstituierung eines Circles of Support. Barratt et al. (1998) untersuchten den COS-Ansatz im schulischen Kontext und belegen u. a., dass die COS-Bildung zu einer höheren sozialen Integration der Fokusperson führt.

 

Literatur:

Barratt, Philip et al. (1998): Children with autism and peer group support: using circles of friends. In: British journal of special education, 25 (2), 60-64

Kikabhai, Navin/ Whittaker, Joe (2005): ‚Circles of Support/Friends’. Exploring the notion of relationships, intimacy, friendship and support. Bolton Data for Inclusion (No 45)

Knust-Potter, Evemarie (1998): Behinderung – Enthinderung. Die Community-Living-Bewegung gegen Ausgrenzung und Fremdbestimmung. Köln: Klaus Novy Institut

Mount, Beth et al. (1988): What we are learning about Circles of Support? Manchester: Communitas

Perske, Robert (1989): Circle of friends. People with disabilities and their friends enrich the lives of one another. Nashville: Abdington Press

Pfeifer, Wolfgang (2005): Etymologisches Wörterbuch des Deutschen. München: Deutscher Taschenbuchverlag

 

Kontakt:

Alina Kirschniok

alina.kirschniok@uni-koeln.de

Juli 2009

 

 

Quellenverweis:  http://www.inklusion-lexikon.de/COS_Kirschniok.php